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Freie Napster Server - die nie erzählten Fakten der MP3 Tauschbörse

Update: 19.08.2024 | Erstellt: 09.07.2024 von creopard

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Zum 25. Jubiläum der einst weltgrößten illegalen Musik-Tauschbörse "Napster" haben viele Nachrichtenportale den Aufstieg und Fall von "Napster.com" nochmal aufgearbeitet. Man liest allerdings immer wieder die gleichen Geschichten vom Hype, den späteren Rechtsstreitigkeiten und den gesellschaftlichen Folgen. Allerdings gibt es viele nicht erzählte Facetten, die teilweise nicht einmal den Leuten bekannt sind, die Napster seinerzeit miterlebt und genutzt haben.

napster-blinzeln

Wir wollen heute einen Einblick auf die damalige "freie" Napster-Szene geben und undokumentiertes Wissen mit der Nachwelt teilen, denn die Entwicklung hin zu von Musikdiensten wie iTunes und Spotify war keinesfalls selbstverständlich.


"Frei" deshalb, weil es vom offiziellen "Napster.com" Netzwerk komplett unabhängige Netzwerke und Software (OpenNap & SlavaNap) gab, die dennoch mit den Napster Filesharing Clients kompatibel waren und es Privatpersonen ermöglichten, eine kleine Tauschbörsen Parallelwelt zu erschaffen.

Damit es auch authentisch wird, haben wir hierfür Zeitzeugen aus der damaligen Szene interviewt. Ein Mitglied des ehemaligen "DarkServers"-Netzwerks (namens "DangerFreak"), der ursprüngliche Entwickler von "SlavaNap" (namens "CyberAlien") sowie mehrere Personen, die nicht namentlich genannt werden möchten, haben freundlicherweise sehr konkret auf unsere Anfragen geantwortet.

1. Vorstellung - Wer seid ihr und was habt ihr gemacht?

DangerFreak: Lass uns zur Einstimmung zurück in eine wilde Zeit gehen - in das Jahr 1999: der EURO wurde gerade bei den Banken im elektronischen Zahlungsverkehr eingeführt, der dystopische Y2K-Bug stand vor der Tür, Moorhühner gingen viral und alle haben ihre Lieder kostenlos über Napster getauscht.

Als wir von dieser Musiktauschbörse namens "Napster" hörten, waren ich und viele meiner internetbegeisterten Freunde sofort Feuer und Flamme. Seinerzeit musste man für eine komplette Musik-CD ca. 25-30 DM ausgeben, auch wenn man darauf vielleicht nur ein Musikstück gut fand. Ein nachvollziehbares Problem für ausgebrannte Jugendliche und Studenten wie mich. Und plötzlich gab es da einfach ein kostenloses Angebot auf Tauschbörsen-Basis: Jeder teilte seine Musik, die er selbst hatte mit jedem anderen - und das auf der ganzen Welt. Also schmissen wir unsere PCs an und ließen die Modem- und ISDN-Leitungen glühen. Napster hat das Internet gerockt.

ZDNet.de bezeichnete Napster anfangs als "MP3-Downloads mit garantierter Verfügbarkeit":

"Und so funktionierts: Auf dem lokalen System wird ein Verzeichnis mit freizugebenden Musikstücken festgelegt; hier befinden sich die MP3s, die Sie später anderen Napster-Anwendern zur Verfügung stellen. Nach der Eingabe von anderen Informationen wie Computername und Verbindungstyp loggen Sie sich auf dem Napster-Server ein. Sobald die Verbindung steht, stehen unzählige MP3s zum Download bereit. Eine clevere Suchfunktion erlaubt das schnelle Durchstöbern des aktuell herunterladbaren Bestandes, wobei eingerichtete Chaträume, aufgeteilt nach Musikrichtung, den Informationsaustausch zwischen angemeldeten Usern ermöglichen. Wird eine MP3 zum Herunterladen ausgewählt, lässt sich auch der Verbindungstyp des Host-Computers erkennen, und somit auch die Übertragungsdauer abwägen."

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Bild: DarkServers Logo

Neben dem offiziellen Napster.com Netzwerk gab es noch eine Vielzahl an sogenannten Napster-kompatiblen (OpenNap + SlavaNap) Servern. Diese wurden meist von Privatpersonen aus Spaß an der Freude betrieben und ich war einer von ihnen. Nach der erzwungenen Abschaltung des offiziellen Napster Netzwerks im Jahr 2001 wechselte ich die Seiten: vom reinen Filesharer hin zum Serverbetreiber beim SlavaNap-Netzwerk darkservers.net.

Damit war ich auch einer der ersten SlavaNap User und später auch Moderator im SlavaNap-Forum, das "CyberAlien" einige Zeit vorher ins Leben gerufen hat.

CyberAlien: (ins Deutsche übersetzt) SlavaNap war ein interessantes Experiment.
Ich experimentiere gerne, probiere neue Dinge aus. Das könnte etwas mit meiner Wahl zu tun haben, warum ich SlavaNap damals in Delphi und nicht in C/C++ programmierte. Ich konnte C/C++ sehr gut. Es war die zweite Programmiersprache, die ich nach Basic gelernt habe, also hätte ich auch C/C++ verwenden können.
Eines habe ich gelernt: Ich werde Windows nie wieder anfassen. Damals war es furchtbar fehlerhaft. Viele Fehler, die bei den Benutzern auftraten, wurden durch verschiedene Windowsprobleme oder schlechte Treiber verursacht.
Der beste Teil dieses Projekts war die Website mit dem Forum. Ich habe es selbst entworfen, was mit einer grundlegenden Anpassung des Forentemplates begann, das ich als OpenSource Template veröffentlicht habe. Das Projekt hat letztendlich meine spätere Karriere für die nächsten Jahrzehnte bestimmt.
Ich erinnere mich nicht mehr an viel über das Projekt. Es ist schon so lange her.

2. Musik kostenlos aus dem Internet? Wie war das überhaupt möglich?

Anonym: In den 1980er und 1990er Jahren erfand man im "Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen" das MP3-Audiodatenkompressionsverfahren. Erst damit konnte Napster im Jahr 1999 so richtig durchstarten.

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Bild: Napster Beta 6 Library = Liste aller geteilten Dateien

Bei der MP3-Komprimierung werden, vereinfacht gesagt, von einem Musikstück alle akustischen Signale entfernt, die das menschliche Ohr ohnehin nicht hören oder unterscheiden kann. Damit war es erstmals möglich, Lieder von den eigenen Musik-CD auf den PC zu kopieren und so zu komprimieren, dass die Lieder nur noch wenige Megabyte Platz auf der Festplatte beanspruchten.
Ein 4-minütiges Musikstück als unkomprimierte PCM-Datei (.WAV) wäre etwa 40 MB groß und viele Musiktitel hätten so schnell die Festplattenkapazität erschöpft. Durch die MP3-Komprimierung konnte man ein Musikstück auf eine Dateigröße von etwa 4 MB schrumpfen bzw. "encoden".
Mit dem MP3-Format und Napster gab es also eine einfache Lösung für alle Internetuser: Man traf sich mit anderen Tauschwilligen auf einer großen P2P-Plattform und stellte seine eigene MP3-Musiksammlung zum Download zur Verfügung. Gleichzeitig konnte man die freigegebenen Dateien anderer Teilnehmer durchsuchen und deren MP3 Musikstücke auf die heimische Festplatte herunterladen.

DangerFreak: Ohne das MP3-Format hätte es Napster nicht gegeben, da die zu übertragende Datenmenge einer 40 MB WAV-Datei viel zu groß gewesen wäre. Viele Filesharing User waren zu der Zeit noch mit einem 56 KBit Modem unterwegs, also mit einer Übertragungsgeschwindigkeit beim Download von etwa 7 KByte/s und beim Upload nur mit 33,6 KBit, also etwa 4 KByte/s. Einige hatten mit einem ISDN-Anschluss schnellere Geschwindigkeiten und konnten in beide Richtungen 64 KBit/s übertragen werden (mit der ISDN-Kanalbündelung waren sogar 128 KBit/s im Up- und Download drin, dann allerdings auch mit doppelten Telefonkosten).

mp3-dancer
Bild: MP3 Dancer + Addon

Fun Fact: In den Anfängen der Tauschbörsenplattform waren noch MP3-Dateien mit 128 KBit/s in 44 KHz Stereo üblich, da diese einen akzeptablen Kompromiss zwischen Dateigröße und Audioqualität boten (1 Minute Audio entsprachen hier in etwa 1 MByte Dateigröße). 128 KBit/s galt dabei als "nahezu CD-Qualität", MP3-Dateien mit 192 KBit/s in galten als "CD-Qualität" und alles darüber wurde als Verschwendung von teurem Festplattenplatz betrachtet.
Wer jemanden kennt, der noch MP3 Dateien aus der Zeit hat, kann z.B. mit dem Programm EncSpot Pro ermitteln lassen, mit welchem Codec die MP3-Datei generiert wurde. Da mit der PC-Rechenleistung Anfang der 2000er das Umwandeln von WAV -> MP3 noch verhältnismäßig lange dauerte, wurden anfangs die meisten MP3-Dateien über den Xing-Encoder "AudioCatalyst" mit 128 KBit/s erstellt, da er damals als der schnellste MP3-Encoder galt. Rückblickend betrachtet wurde die Zeitersparnis durch die MP3-Komprimierung mit einem dauerhaften und tatsächlich hörbaren Qualitätsverlust der Audiodatei erkauft.
Ein beliebtes Tool zum Umwandeln von Musik-CDs ins MP3-Format war in Deutschland der CD-Ripper AudioGrabber, der dem AudioCatalyst zwar in der Optik ähnelte, aber statt dem Xing-Encoder, die MP3s mit dem qualitativ besserem LAME-Encoder erstellte.

Am 23. April 2017 liefen alle relevanten Softwarepatente für die MP3-Kompressionstechnologie aus. MP3 gilt nun als patentfreies Format für das keine Lizenzgebühren mehr erhoben werden. Mit dem AAC-Format mag es mittlerweile eine bessere Audiodatenkompressionstechnologie geben (zumindest bei niedrigen Kompressionsraten), aber MP3 hat sich als Standard in so ziemlich jedem Gerät der Unterhaltungselektronik etabliert.

Fun Fact: Bei Napster war es nur möglich, MP3-Dateien zu teilen. Das änderte sich mit dem Programm "Wrapster", das verschiedene unterschiedliche Dateien wie ein Komprimierungsprogramm in einer Datei zusammenfasste und es wie eine MP3-Datei aussehen ließ. Das Gegenprogramm dazu hieß "Unwrapper" und konnte die mit "Wrapster" erstellten Dateien wieder "entpacken". Bei den Napster-kompatiblen (OpenNap + SlavaNap) Servern war es hingegen direkt möglich, alle möglichen Dateitypen zu teilen (sofern es der Serverbetreiber erlaubte).

3. Wie konnte man überhaupt seinen eigenen Napster Server betreiben?

DangerFreak: Das von Napster verwendete Netzwerkprotokoll wurde 2000 durch den Entwickler "DrScholl" reverse engineered, komplett dokumentiert, in ANSI C nachprogrammiert und der daraus resultierendem Quellcode diente als Grundlage für weitere Entwicklungen.
Daraus entwickelten sich also schon während der Anfangszeit von Napster verschiedene OpenSource Serversoftwares, wie OpenNap, OpenNap-NG und später auch SlavaNap. Damit konnte jeder seinen eigenen Napster-kompatiblen Server selbst(!) betreiben.

Filesharer konnten sich mit ihrem herkömmlichen Napster Client unter Zuhilfenahme von Napigator (siehe unten) auch zu diesen Napster-kompatiblen Servern verbinden. Diese Server können bei gleicher Version untereinander zusammengeschlossen werden, so dass man auch miteinander chatten und Dateien teilen konnte, selbst wenn man sich auf unterschiedlichen Servern befand. Heutzutage würde man das "Federated Cloud" nennen. Die Link-Guidelines des ersten OpenNap Netzwerks waren eine Art Standard und wurden in der Szene von späteren Netzwerken in ähnlicher Form übernommen.

napster-logon
Bild: Napster Ladebildschirm beim Verbinden

Der Betrieb eines eigenen OpenNap Servers war anfangs allerdings kein Zuckerschlecken. Die Anforderungen lasen sich in etwa so:

"Sie benötigen einen Rechner, auf dem UNIX läuft, vorzugsweise Linux, auf dem sie die Serversoftware ausführen können. Weiterhin müssen Sie den kostenlosen und quelloffenen Napster Server OpenNap herunterladen. Das Kompilieren und Konfigurieren erfordert einige Kenntnisse und ein wenig UNIX-Erfahrung, so dass der Betrieb eines eigenen Servers den fortgeschritteneren Benutzern überlassen werden sollte. Interessierte können jedoch weitere Hilfe und Anleitungen zusammen im herunterladbaren Quellcode von OpenNap finden."

Anonym: Das schreckte potentielle Serverbetreiber natürlich wirkungsvoll ab. Zu jener Zeit war der Großteil der Internetnutzer mit Windows 98 unterwegs. Windows 2000 war noch nicht sehr verbreitet und Windows ME war wegen seiner durchwachsenen Stabilität verpönt.
Selbstredend war die OpenNap Serversoftware für Linux optimiert, kommandozeilenorientiert und führte unter Windows 98 (mit Cygwin) oft zu abstürzen, wenn z.B. der Ressourcenverbrauch oder die Userzahl auf dem Server (und damit die Anzahl der gleichzeitigen Verbindungen) eine bestimmte Grenze überschritt. Das Win32 Release von OpenNap, ließ sich zwar mit Cygwin auch unter Windows 2000 betreiben, aber so richtig rund war es noch nicht. Darüber hinaus musste man den Server mit TekNap administrieren, was für die GUI-verwöhnten Windowsnutzer nicht praktikabel war. TekNap war auch bekannt für seine eingebaute Scripting Engine mit der vordefinierte TekNap Skripte [noch mehr Skripte] ausgeführt werden konnten.

Die Systemvoraussetzungen für einen OpenNap Server lasen sich so:

Allgemeines: Ein Computer mit einer angemessenen Menge an Arbeitsspeicher (siehe unten) und eine Internetverbindung. Eine Verfügbarkeit des Rechners inklusive Internetverbindung von 24 Stunden/Tag ist wünschenswert, aber nicht erforderlich. Eine Internet-Flatrate mit unbegrenztem (oder günstigem) Datentransfervolumen wird empfohlen.

Betriebssysteme: Vorkompilierte Binärversionen sind für Linux x86 und Windows verfügbar. Versionen für viele andere Unix Derivate können durch Kompilieren der Quellen selbst erstellt werden. Die empfohlene Mindestversion des Linux-Kernels ist 2.2. Linux 2.4 oder höher ist erforderlich, wenn ein Server mehr als 1000 Benutzer bedienen soll. Windows NT, 2K oder XP (alle Editionen) sollten für einen stabilen Serverbetrieb verwendet werden. Windows 95, 98 und ME sind dafür bekannt, dass sie den Serverbetrieb nicht sehr gut unterstützen.

CPU: Die CPU-Geschwindigkeit ist wichtig, wenn es darum geht, Dateisuchen und Übertragungsanforderungen für eine große Anzahl von Benutzern zu bedienen. Für einen Standard Filesharing Opennap Server gilt als Faustregel für x86-kompatible CPUs, dass Sie mit 500 MHz 1000 Benutzer bedienen können. Das heißt, wenn Sie eine Maschine mit 2 GHz haben, sollten Sie (theoretisch) in der Lage sein, 4000 Benutzer ohne nennenswerte Verzögerung auf einer Maschine zu bedienen. Bei reinen Chatservern mit deaktivierter Dateifreigabe wird davon ausgegangen, dass die Anforderungen bei 100 MHz oder weniger pro 1000 Benutzer liegen.

RAM: Das Anbieten von Filesharing-Diensten mit Opennap ist ziemlich RAM-lastig. Als Faustregel gilt, dass auf Linux-Systemen 1000 Dateien 300 bis 350 KB RAM benötigen, während auf Windows-Systemen 1000 Dateien 400 bis 500 KB RAM benötigen. Der Unterschied ergibt sich aus den völlig unterschiedlichen Speicherverwaltungskonzepten der beiden Betriebssysteme. Wenn Sie also 1 GB RAM zur Verfügung haben, sollten Sie in der Lage sein, etwa 3 Millionen Dateien unter Linux und etwa 2 Millionen Dateien unter Windows zu verwalten. Bei reinen Chat-Servern sind die RAM-Anforderungen vernachlässigbar.

[...]
Quelle: https://opennap-ng.sourceforge.net/opennap-ng-0.49-manual.html#SystemRequirements

DangerFreak: Das sollte sich 2001 mit dem Release von SlavaNap für Windowssysteme ändern.

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Bild: SlavaNap v2.0.1 mit 2 Minuten Laufzeit (4 von max. 100 lokale User, keine verlinkten Server)

slavanap-201-servers
Bild: SlavaNap v2.0.1 mit 8 Minuten Laufzeit (4 von max. 100 lokale User, 5835 von 7719 möglichen Gesamt User, 14 verlinkte Server)

Dank des OpenSource Charakters von OpenNap basierte das in der "Delphi 4 Client/Server Suite" programmierte SlavaNap ebenfalls auf dem selben Napster Protokoll, so dass Napster-kompatible Client-Software auch problemlos mit SlavaNap funktionierte.
Die SlavaNap Serversoftware lief nativ auf Windows 98/2000 und beinhaltete eine GUI, mit der ein Serveradministrator sofort die komplette Konfiguration im Griff hatte. Für Systeme mit Windows 98/ME und weniger als 256 MB RAM wurde zuletzt allerdings nur Version 2.2.1 empfohlen, spätere Versionen wurden mehr für Windows 2000/XP optimiert.
Auszug aus dem Changelog von Version 2.2.1 zu 2.3.0:

2.3.0 build 102
  - replaced Delphi memory manager
  - CPU handling completely changed
  [...]

Anders als OpenNap war SlavaNap auf Einfachheit ausgelegt und lud durch die leicht zu bedienende Windows-Benutzeroberfläche jeden Anwender förmlich ein, seinen eignen Server zu betreiben. Nahezu Jeder, der im Stande war, eine Windows-Anwendung zu installieren und eine Internetverbindung hatte, konnte einen SlavaNap Server betreiben. Also starteten viele Enthusiasten ihre Windows 98 Maschinen und stellten ohne groß nachzudenken einen Server bereit.

Zu jener Zeit konnte Windows 9x nur 100 Verbindungen (Sockets) gleichzeitig handhaben, bis man den Registry-Eintrag

HKEY_LOCAL_MACHINE\System\CurrentControlSet\Services\VxD\MSTCP\MaxConnections

manuell auf einen höheren Wert setzte. Ein verbundener User belegte mit seinem Client natürlich eine Verbindung/Socket. Damit konnte man nun theoretisch bis zum angegeben MaxConnections Wert so viele User gleichzeitig auf seinem Server hosten. Allerdings musste man dann mit einem instabilen Windows 98 rechnen bzw. waren dann z.B. Webseitenaufrufe mit dem Internet Explorer Browser auf dem gleichen PC nicht mehr möglich, wenn alle Sockets bereits belegt waren (siehe Microsoft KB158474). Des weiteren war für Windows 9x noch der Patch KB236926 notwendig, da die "Round Trip Time" (RTT) falsch berechnet wurde. Auch war bei Windows 98 mit 512 MB RAM Schluss, da es in den 2000er Jahren noch keine Community Patches oder Workarounds gab, um Windows 98 stabil mit mehr als 512 MB RAM zu betreiben. Damals wurde für einen Server bereits Windows 2000 empfohlen, das all diese Einschränkungen nicht aufwies. Auf dem eigenen lokalen Server konnte man sich mit einen beliebigen Napster Client direkt über die Loopback Schnittstelle (IP-Adresse 127.0.0.1) verbinden oder einfach die eingebauten SlavaNap Konsole (="Elite User") nutzen.

lagmeter-slavab97
Bild: LagMeter pingt alle verbundenen SlavaNap Server an

Wie bei OpenNap konnte man mit SlavaNap unter anderem auch einstellen, dass verbundene User nach einer bestimmten Zeit wieder von Server getrennt wurden, wenn sie z.B. selbst keine Dateien zur Verfügung stellten. Damals war jede freie Ressource und jede einzelne Clientverbindung wichtig.
Des weiteren gab es Tools aus der SlavaNap Community wie den "Clonekiller", der doppelt eingeloggte User in einem Netzwerkverbund aufspürte und die doppelten Verbindungen vom Server trennte, so dass wieder Ressourcen und Verbindungsmöglichkeiten für neue User zur Verfügung standen. Oder auch das Tool "LagMeter", das die Server in einem Serververbund regelmäßig anpingte, um so zu ermitteln, ob ein Server zu stark überlastet ist und so das komplette Netzwerk damit beeinträchtigen würde. Seinerzeit waren die Server immer "randvoll" mit tauschwilligen Usern. Wenn ein Server sein selbst festgelegtes maximales Userlimit erreicht hat, wurden keine Verbindungen von neuen Usern mehr akzeptiert. Ein Pentium III mit 800 MHz unter Windows 2000 schaffte als SlavaNap Server in etwa 1000-1200 User gleichzeitig. Die DSL Upload Geschwindigkeit war wie so oft der eigentlich limitierende Faktor. In Deutschland betrug diese beim gängigen Telekom Tarif "T-DSL 786/128" nur 128 KBit/s, also so schnell wie ISDN mit Kanalbündelung.

SlavaNap Version 1.x und 2.4.1 wurde wie OpenNap ursprünglich ebenfalls auf SourceForge.net gehostet und war auch eine OpenSource Anwendung. Als der estländische Hauptentwickler "CyberAlien" von seinem lokalen Musikverband unter Druck gesetzt wurde, hat er das Projekt eingestellt. Etwas später wurde das Projekt unter der Feder des neuen Hauptentwicklers "MrFredPFL" weitergeführt. Allerdings wurde die bisherige OpenSource Philosophie beendet, so das es ab SlavaNap Version 2.5.0 keinen einsehbaren Quellcode mehr gab.

CyberAlien: (ins Deutsche übersetzt) Wenn ich mich richtig erinnere, wollte ich eigentlich nicht, dass jemand die Entwicklung weiterführt, da die Software aus wirklich schlechtem Code bestand. Es war ein chaotisches Durcheinander. Die Softwarewartung war aufgrund einer Mischung aus schlechten Designentscheidungen und Windows-Problemen sehr frustrierend. Ein weiteres Problem war rechtlicher Natur: Wenn jemand die Entwicklung fortsetzt und Probleme mit den Behörden bekommt, könnte auch ich möglicherweise in Schwierigkeiten geraten.

Netzwerke wie Darkservers.net, FlameNap, BunnyMatrix.net, BallapP2P.com, Slavanap.de und SlavaBeach.net verwendeten SlavaNap Server.

Fun Fact: Ein einzelner Filesharing User konnte mit SlavaNap maximal 65.535 seiner Dateien anbieten.

4. Manche sehen Napster auch als das erste soziale Netzwerk seiner Zeit. Wie kommt das?

napster-beta-3-chat
Bild: Napster Beta 3 Chatfenster

DangerFreak:Die Möglichkeit sich neben dem ganzen Filesharing mit anderen Usern in Chatkanälen oder per Direktnachricht auszutauschen, war ein häufig unterschätztes Feature an Napster. Während eine Datei heruntergeladen wurde, hatte man ja aufgrund der niedrigen Übertragungsgeschwindigkeiten eines Modem viel Zeit übrig, um andere Dinge zu tun. (Mit einem 56k Modem musste man rund 10 Minuten warten, bis eine 4 MB große Datei heruntergeladen war.)

So konnte man nebenbei auch die freigegebenen Dateien von anderen Usern in einer Art Dateibrowser betrachten und von dort aus auch gleich einen Download starten. Auf diese Weise konnte man auch neue unbekannte Musikstücke entdecken und probehören, auf die man sonst nie gekommen wäre oder die man in Deutschland überhaupt (noch) nicht kannte. Noch während des Downloads konnte man ja schon in das Musikstück hineinhören, da der Download einer MP3 immer am Dateianfang begann.
Man konnte auch sehen, wer von einem selbst bestimmte Musikstücke herunterlud und kam so wiederum oft mit Gleichgesinnten ins Gespräch. Man konnte sein Gegenüber, von dem man etwas herunterladen wollte z.B. auch höflich anschreiben und darum bitten, ob man in der Download Warteschlange bevorzugt wird. Häufig bekam man auch eine nette Rückantwort und der Download startete umgehend. Es war eine unbekümmerte Zeit, in der noch nicht jeder Schwachmat im Internet hing und der Begriff "Hate Speech" dementsprechend noch nicht existierte. Es sollen sogar zwischenmenschliche Beziehungen entstanden sein, während man nebenbei MP3 Dateien getauscht hat.

Es gab auch eine sogenannte "Hotlist", eine Art "Favoritenliste". In dieser konnte man andere User aufnehmen, um zu sehen, ob sie online sind oder welche Dateien sie teilten. In der Hotlist und den Suchergebnissen waren neben einem User immer farbige Punkte zu sehen, welche die zu erwartende Download Geschwindigkeit anzeigten:

grün: Cable, DSL, T1 und T3
gelb: 56k Modem bis ISDN 128k
rot: 33.6k Modem und darunter, sowie bei "unknown speed")

napster-beta-3-hotlist
Bild: Napster Beta 3 Hotlist

Anfang 2001 mit weltweit rund 80 Millionen Nutzern war die Plattform bis zu ihrer Abschaltung im Juli 2001 mindestens das größte soziale Netzwerk seiner Zeit.
Schätzungen gehen auch davon aus, dass das damalige Musikangebot in Napster das bis dato Höchste aller Zeiten war. So gab es auch viele unautorisierte Aufnahmen und Live-Mitschnitte, die selbst bis heute nie auf einer Musik-CD oder einem Musikstreamingdienst veröffentlicht wurden.

Das Napster Protokoll erlaubte es auch, ähnlich wie beim Internet Relay Chat (IRC), seinen eigenen Benutzernamen mit einem Passwort auf dem Server/Netzwerk zu registrieren. Damit konnte man sicherstellen, dass kein anderer User den eigenen Benutzernamen (und die ggf. damit verbundenen Moderationsrechte) verwenden konnte.

Die Napster-kompatiblen Server hatten auch eingebaute (administrative) Befehle, mit denen man ähnlich wie in einem IRC-Chatraum mit den Besuchern eines Chats interagieren konnte.
Der Serverbetreiber konnte bestimmten Chatteilnehmern Moderationsrechte in Chaträumen einräumen oder andere auch zu Serveradministratoren ernennen. Das diente wie in jedem Chat dazu, eine gewisse Ordnung zu schaffen. Störenfriede wurden entweder aus dem Chatraum entfernt oder komplett vom Server geworfen. Benutzer mit höheren Rechten in einem Chatraum wurden mit einem "@" vor dem eigenen Benutzernamen gekennzeichnet.

Insgesamt kannte das Napster Protokoll vier verschiedene Userlevel:

Level Nummer Beschreibung
Leech 0 Leech ist ein Begriff für jemanden, der ein Schmarotzer ist. Dies ist die niedrigste Benutzerstufe und wird an Benutzer vergeben, die sich in irgendeiner Weise daneben benehmen. Leech können die folgenden Dinge nicht tun:
  • Dateien von anderen Benutzern herunterladen
  • Chaträumen beitreten
  • Nachrichten an Chaträume senden
User 1

Ein User ist ein ganz normaler Teilnehmer. Das ist die große Mehrheit der Benutzer. User können Folgendes tun:

  • Listen von Dateien anbieten, die sie gemeinsam nutzen
  • nach Dateien von anderen Nutzern suchen
  • Dateien von anderen Nutzern herunterladen
  • Dateien zu anderen Benutzern hochladen
  • Persönliche Chatnachrichten an andere Benutzer oder Moderatoren/Admins/Elite senden
  • bestehenden Chaträume beitreten
  • neue Chaträume erstellen (falls die Serverkonfiguration eigene Chaträume zulässt)
Moderator 2 Ein Moderator oder kurz "Mod", hat die Fähigkeit, einige der administrativen Funktionen auf dem Server auszuführen. Moderatoren sind vor allem dafür verantwortlich, die Ordnung in den Chaträumen aufrechtzuerhalten und störende oder anderweitig unliebsame Benutzer zu entfernen. Moderatorenrechte werden von den Stufen "Admin" und "Elite" vergeben. Ein Moderator kann:
  • kill - andere Benutzer vom Server trennen
  • muzzle - andere Benutzer daran hindern, Nachrichten in Chaträumen zu senden oder Chaträumen beizutreten
  • ban - Benutzer daran hindern, sich auf dem Server anzumelden
  • announce - sendet eine Nachricht an alle Benutzer
  • wallop - sendet eine Nachricht an alle Moderatoren/Admins/Elite
  • setuserlevel - das Level eines Benutzers ändern
Moderatoren haben außerdem die Möglichkeit, alle ChanServ Funktionen zur Verwaltung von Chaträumen auszuführen.
Admin 3 Ein Admin ist eine spezielle Benutzerebene, die es erlaubt, alle Moderatorenfunktionen auszuführen, sowie die folgenden:
  • einen Server verbinden
  • einen Server trennen
  • anderen Benutzern den Moderatorenstatus geben
  • Konfigurationsvariablen des Servers lesen (aber nicht schreiben)
Elite 4 Ein Elite-Benutzer ist in der Regel ein Serverbetreiber (die Person, welche die Server-Software tatsächlich auf den eigenen Computer ausführt). Sie können im Grunde tun, was sie wollen. "Man sollte ihnen nicht auf die Füße treten, da das sind die Leute sind, die den kompletten Dienst zur Verfügung stellen."

5. Welche Napster-kompatiblen Clients gab es noch?

rapigator-pc-welt
Bild: Rapigator (PC-Welt Shareware Tipp März 2001)

Anonym: Wem der offizielle Napster Client nicht gefiel oder mehr Funktionen erwartete, konnte aus einem regelrechten Pool von kompatiblen Clients wählen. In den frühen Tagen von OpenNap war die Client-Landschaft mit Anwendungen wie "Rapigator" gefüllt.

Mit ähnlichen Programmen für Windows wie "AudioGnome", "WinMX", "Drumbeat", "SunshineUN", "CQ_EX", "MacNap" für den Macintosh oder für Linux wie "Lopster", "TekNap", "Gnapster", "KNapster", um nur einige zu nennen, konnte man sich mit den Napster Servern und gleichzeitig zu den OpenNap Servern verbinden. Die alternativen Clients waren auch deshalb interessant, da Napster mit Beginn der Rechtsstreitigkeiten eigene Filterlisten führen musste, so dass viele Bands und Songs nicht mehr über die Suchfunktion zu finden waren. Diese Beschränkungen galten für die OpenNap Server nicht, es sei denn der jeweilige Serverbetreiber entschied sich, eigene Filterlisten zu führen. Auf den OpenNap Filterlisten, waren aber meist nur Schlagworte enthalten, die man typischerweise nur für die Suche nach "Erwachsenenfilmen" benötigte.

Fun Fact: für den offiziellen Napster Client existierten sehr früh erste inoffizielle Patches, um neben MP3-Dateien auch andere Dateitypen zu teilen. Es gab mit napsterhelp.com auch eine eigene Seite, die sich ausschließlich mit der Umgehung der Filter im Napster-Client auseinandersetzte. AudioGnone, der erste Client im "Dark Mode", debütierte Anfang 2001 und kann 2024 immer noch heruntergeladen werden. Der Client und die dazugehörige Homepage sind seit seiner Entstehung praktisch unverändert geblieben.
Zu dieser Zeit war WinMX ein reiner OpenNap Client und unterstützte sein späteres proprietäres Netzwerk noch nicht.

Es gab auch noch "FileShare" und "MyNapster", zwei sehr frühe OpenNap Clients. FileShare war ein Client, der die bevorzugte Methode für die Verbindung zum MusicCity OpenNap Netzwerk war. Zu dieser Zeit unterhielt MusicCity, das der Vorläufer des später entstehenden "Morpheus" sein sollte, eine große Anzahl von 20 bis 30 Servern. Es war bei weitem die größte OpenNap Community, die nicht mehr übertroffen werden sollte. Während der Rechtsstreitigkeiten mit der Musikindustrie wechselte MusicCity jedoch vom zentralisierten OpenNap auf das FastTrack Netzwerk von Kazaa und benannte seine Software um in "Morpheus". Einige behaupten, dass MusicCitys Tage auf OpenNap nur eine clevere Marketingstrategie waren, der darauf abzielte, Nutzer zu ihrem neuen Client "Morpheus" mit Adware zu locken.

Fun Fact: Am 26. Februar 2002 wurde "Morpheus" aufgrund unbezahlter Rechnungen aus dem KaZaa Netzwerk ausgesperrt und musste somit auf das Gnutella-Netzwerk wechseln.

6. Aber woher wussten die User überhaupt, welche Server es neben den offiziellen von Napster noch gab?

DangerFreak: In den Jahren 2000 und 2001 wurde ein Indizierungsdienst für alle OpenNap Server eingerichtet, der "Napigator".

napigator
Bild: napigator.com

Er ermöglichte es Serveradministratoren, ihre Server mit ihrer jeweiligen IP-Adresse zu einer globalen Liste hinzuzufügen, die von "napigator.com" verwaltet wurde. So konnten sie leicht (und automatisch) von Client-Software wie z.B. dem Napster Client, WinMX, AudioGnome, usw. gefunden werden. Napigator stellte auch ein kleines Windowsprogramm zur Verfügung, das es dem User ermöglichte, sich mit jedem beliebigen OpenNap und Napster Server gleichzeitig(!) zu verbinden. Das Programm lud die Liste der aktuellen Server herunter und der Benutzer konnte einfach auf den Server in der Liste klicken, mit dem er sich verbinden wollte. Spätere Versionen wurden direkt mit dem Napster Client verbunden.
Mit der Napster Client Version 10.3 (Juni 2001) wurde der Zugriff auf die OpenNap Server über napigator.com absichtlich verhindert. Spätestens ab diesem Zeitpunkt musste man sich eine andere Clientsoftware suchen. Das war aber nicht sonderlich schlimm, da die Abschaltung von Napster (Juli 2001) kurz bevor stand und man sich ohnehin mit Alternativen beschäftigen musste.

Anonym: Bei den meisten späteren Napster Clients wurde dieses Feature des Downloads der aktuellen Liste und das Verbinden auf aktuelle Server direkt in den jeweiligen Client integriert, so dass dafür kein Extraprogramm mehr notwendig war.
Auch nach der offiziellen Abschaltung von napster.com im Juli 2001 konnte man sich trotzdem noch auf die weiterhin existierenden OpenNap und SlavaNap Server verbinden.
2004 stellte napigator.com seinen Dienst ein, allerdings standen mit naptracker.com (bis 2002), naplist.com (bis 2005)  und gotnap.com (bis 2018) bereits die Nachfolger in den Startlöchern, die weiterhin aktuelle Serverlisten zur Verfügung stellen konnten. Mittlerweile wurden alle diese Dienste allerdings eingestellt.

Beispiel: Serverliste VOR der offiziellen Napster Abschaltung (Die Liste enthält noch alle offiziellen Napster Server).
Beispiel: Serverliste NACH der offiziellen Napster-Abschaltung

slavanap-221-search
Bild: SlavaNap mit Suchanfragen auf dem Server (2003)

Durch die Möglichkeit, dass sich viele einzelne Server zu ganzen Serverclustern zusammenschließen konnten, entstanden auch viele verschiedene (auch länderspezifische) Netzwerke und Gruppen. Die hatten dann Namen wie DJNap, NecessaryEvil, DarkServers, DutchDelight, SonikNap, um nur einige zu nennen. Natürlich menschelte es da auch (vor allem im Chat) und nicht selten sind einzelne Serverbetreiber im Streit zu anderen Netzwerken abgewandert oder haben zusammen mit anderen ihr eigenes Netzwerk gegründet.

7. Warum machte man das überhaupt? Warum einen eigenen Server betreiben?

DangerFreak: Es war einfach ein geiles Gefühl, einen "eigenen" Napster Server zu administrieren. Man war plötzlich ein echter "Anbieter" im Internet und nicht nur bloßer "Konsument". All das geschah ohne irgendeine Gegenleistung oder finanziellem Interesse, sondern aus reiner Begierde selbst ein kollaborativer Teil des Internets zu sein. (Das Schlagwort "Web 2.0" sollte erst 2003 geboren werden).
Man lernte auch viel über Serverarchitekturen, IP-Routing, DNS- & Nameservers, Firewalls und Linux (z.B. mit "fli4l").
Man versuchte auch das zugrundeliegende Windows 2000 soweit möglich zu optimieren, dass man möglichst viele User auf dem Server "hosten" konnte. Mit der bereits oben erwähnten Möglichkeit, sich in einem Netzwerk zusammenzuschließen, konnte man sogar mit dem SlavaNap Metaserver auch eine Art Lastverteilung etablieren:
Wenn der eigene Server "voll" war, wurden die User für die Verbindung auf einen anderen Server im gleichen Netzwerk weitergeleitet. In einem Serververbund konnte der verbundene User und auf alle geteilten Dateien im gesamten Verbund zugreifen. Für die Chaträume galt das ebenfalls.

8. Gab es denn keine rechtlichen Bedenken oder ein Unrechtsbewusstsein bei den Tauschbörsennutzern?

Anonym: Weder ich noch andere Mitstreiter hatten in irgendeiner Form Gewissensbisse, ob der Up- und Download von MP3-Dateien jetzt moralisch oder rechtlich bedenklich sein könnte. Ich meine, welches Verhalten will man hier von experimentierfreudigen Teenagern erwarten?

pcwelt_10_2000
Bild: PC-Welt Nr.10 (2000) / Kultboy.com

Nicht nur die Hauptzielgruppe der Schüler und Studenten sprangen auf den Napster Zug auf. Alle Seiten ignorierten die Urheberrechte und befeuerten die Plattform gleichermaßen.

a) Aus kommerziellem Interesse:

  • Napster selbst, die sich nur als Vermittlungsplattform sahen, die selbst keine Downloads von Musik anboten.
  • auf Seiten der Verlage: PC-Zeitschriften wie Chip, PC-Welt und viele andere überschlugen sich im Jahr 2000 förmlich, die Information unter die Leute zu bekommen, wie man die Musik jetzt kostenlos aus dem Netz "ziehen" kann. (z.B. PC-Welt 10/2000 mit dem Titelthema MP3: So geht's mit Napster & Co - So holen Sie Gratis-Musik aus dem Web ). Schließlich betraf das Filesharing sie als Verlagshaus nicht. (Als die Verlage später ebenfalls durch das Teilen und Kopieren digitaler Informationen betroffen waren, wurden die Rufe nach einem "Leistungsschutzrecht" laut. "Karma is a bitch...")
  • Der Napster Gründer Shawn Fanning schaffe es auch auf das Cover vom Time Magazine (Oct. 2, 2000). Die Time hatte am Ende des 12 seitigen Artikels passenderweise auch gleich eine Infobox mit "P2P Tools: How to Get Started" (Seite 73) parat und sparte nicht mit Weblinks zu Anleitungen und Tipps, um "getting the most out of Napster".

b) Aus privatem Interesse:

  • Der frühere Napster Programmierer Ali Aydar äußerte in einer NY-Times Dokumentation (YouTube) bedenken, dass Napster nicht funktionieren könnte, weil möglicherweise die Tauschbörsennutzern ihre Dateien nicht für andere freigeben würden. Er war überrascht, dass das Gegenteil der Fall war. Die Leute hatten keinerlei bedenken, ihre Festplatten und Musiksammlungen für den Rest der Welt zu öffnen.
  • Im frühen Narrativ gab es auch noch keine "Musikpiraterie". Die User hatten auch keine kommerziellen Interessen beim Teilen der eigenen Musikbibliothek. Eine digitale Kopie eines Musikstücks war juristisch einfach noch nicht vorgesehen.
  • In der Zeit gab es auch keine echte Möglichkeit, sich ein Musikstück vor dem Kauf anzuhören (ohne die eigenen 4 Wände zu verlassen). Ansonsten musste man in einen Musikladen marschieren und sich die entsprechende CD vom Ladenpersonal in den Player legen lassen. In der Napster-Ära im Jahr 2000 steigerten sich die CD-Absatzzahlen sogar um 500 Millionen US-Dollar. - Man kann die damaligen Anfänge von P2P verherrlichen oder verteufeln, aber im Netz gab es grenzüberschreitend eine Art Aufbruchsstimmung. Mit Napster erschloss sich dem Tauschbörsennutzer ein schier unbegrenztes Musikangebot.

Rückblickend war es viel Wind um nichts, wenn man der Studie Tauschbörsen haben keinen Einfluss auf CD-Verkäufe Glauben schenken mag:
"Das Herunterladen von Dateien aus Tauschbörsen hat nach ihnen - zumindest statistisch gesehen - keinerlei Auswirkung auf die Zahl von verkauften CDs."

9. Ebnete Napster als Urvater des Streamings Diensten wie Spotify und YouTube den Weg?

Anonym: Um die 2000er Jahre wäre niemand auf die Idee gekommen, die Musikvideos von MTV oder VIVA im Fernsehen mitzuschneiden und die Lieder auf Kassette oder CD zu kopieren, was ja durch die Privatkopie in Deutschland gedeckt wäre. Schließlich hat man bereits im Vorfeld auf die Kassette, den Videorekorder und die Audio-CD eine Pauschalabgabe für genau diesen Fall bezahlt. Dieses Vorgehen wäre einfach zu umständlich gewesen, wohingegen die Kassettenaufnahmen von Songs im UKW-Radio in den 1980ern gang und gäbe war. Thomas Gottschalk wurde z.B. in der Zeit als Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk von seinen Hörern dafür gefeiert, dass er die Songs vorher ansagte, sie komplett ausspielte und auch nicht dazwischen quatschte, so dass die Radiohörer zuhause am Kassettenrekorder rechtzeitig die "REC"-Taste drücken konnten. Die Geburtsstunde des Mixtapes.

Heutzutage ist diese Idee des privaten Mitschnitts (z.B. über YouTube) aus Sicht der Plattenfirmen illegal und sie gehen vor Gericht gegen Streamripper vor. Obwohl man für seinen PC, die Festplatte, den CD-Brenner und sogar für das eigene Handy ebenfalls die Pauschalabgabe bezahlt hat. (Stream-Ripping bezeichnet das Erstellen einer herunterladbaren Datei von online verfügbaren Streams). Es gibt immer wieder neue Versuche, die zahlreichen "YouTube to MP3" Dienste abzuschalten. Laut dem Handelsblatt ist der Download einer Videotonspur in Deutschland trotzdem eine legale Privatkopie, wenn man das resultierende Musikstück nicht "weitergib[t] oder verkauf[t]".

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Bild: Napster Beta 7 Suchliste mit gesetztem Filter

Napster war mit einem schier unbegrenzten Musikangebot praktisch auch irgendwie der erste Streaming-Dienst.

Natürlich hat die Musikindustrie alles daran gesetzt, Napster abzuschalten, was ihr letztendlich auch gelungen ist. Sie hat auch das Narrativ aufgebaut, dass jeder heruntergeladene Song gleichzeitig ein finanzieller Verlust für sie wäre, weil der User dann die entsprechende Musik-CD (mit dem einen guten Lied) nicht mehr gekauft hätte. (Weniger gute Lieder, die auf einem CD-Album sind, um die 74 Minuten möglichst voll zu machen, nennt man übrigens "Filler"). Sie haben jeden Download mit einem Kauf gleichgesetzt, aber wie viele Lieder hat man nach dem Download auch wieder gelöscht, weil sie einem doch nicht gefielen?
Napster war nach dem Rechtsstreit erledigt, aber wie viele Leute kaufen heute noch CDs? Mit der aktuellen Generation 40+ scheint es allerdings eine Art Renaissance der Vinyl-Schallplatten und CDs zu geben, da viele Leute lieber ein physisches Medium tatsächlich im Schrank stehen haben wollen, als nur einen Eintrag in einer Online-Playlist wie Spotify zu mieten.

DangerFreak: Leider hat die Musikindustrie mit ihrem Kampf gegen Napster auch die große Chance verpasst, Napster in einen erfolgreichen Abo-Dienst zu verwandeln. Somit übernahmen das später iTunes und Spotify. Zu spät: Nach dem heutigen Streaminganbieter Napster ("30 Tage kostenlos, danach 10.99 €/Monat. Jederzeit kündbar.") kräht kein Hahn mehr.

Letztendlich war die Idee von Napster seiner Zeit weit voraus, wie das folgende Video eines MTV Interviews mit den Napster Gründern aus dem Jahr 2000 zeigt. Sie waren sich sicher, dass User für den ungehinderten Zugang zu Musik schon rein aus Bequemlichkeit bezahlen würden (genau wie es mittlerweile der Fall ist).

Eingebettetes YouTube Video: Wenn Sie das Video anklicken, erklären Sie sich mit den Datenschutzbestimmungen von Youtube und den unseren einverstanden.
Link zum Video: https://youtu.be/r_0mAipIvqs

Es dauerte viele Jahre bis ein Umdenken in den Köpfen der Menschen (auch in der Musikindustrie) stattgefunden hat, dass man nur noch ausgewählte Songs (z.B. über iTunes) kaufen oder streamen möchte und nicht das komplette Album. Andererseits hat das reine Streaming dazu geführt, dass die aktuelle Generation Musik nicht mehr "besitzt" (z.B. in Form von CDs oder MP3s), sondern nur noch eine "Lizenz zum Hören" (z.B. Streaming Abonnement) erlangt. Nimmt ein Anbieter bestimmte Songs aus seinem Angebot oder man verlängert sein Abo nicht, herrscht Stille am Lautsprecher. Obwohl man rückblickend vielleicht durch Abos viel Geld bei einem Anbieter hingeblättert hat, hat man am Ende nichts.

Fun Fact: Bei den ersten kostenpflichtigen Nachfolgern von Napster, verdienten die Musikschaffenden genau nichts, denn "die Konzerne stecken die erhofften Gewinne in die eigene Tasche" via New York Times (2002). Selbst 25 Jahre später scheint dieses Geschäftsmodell diese "Benachteiligung der Musiker", wie z.B. bei der Vergütung der Musiker durch Spotify üblich zu sein.

10. Welche anderen P2P-Plattformen gab es in der Anfangszeit neben Napster noch?

Anonym: Am 8. Oktober 2000, noch in der Blütezeit von Napster veröffentlichte FrontCode Technologies einen OpenNap-Client namens WinMX, der sich zunächst nur zu Napster/OpenNap Servern verbinden konnte. Der Client hatte ein utilitaristisches Aussehen, das an frühere Windows-basierte Programme erinnerte. Nichtsdestotrotz wurde das Programm schnell von einer großen Anhängerschaft angenommen und wurde schließlich zu einer der beliebtesten OpenNap-Anwendungen. WinMX war das hässliche Entlein der P2P-Community, aber es stellte durch seinen späteren Funktionsumfang die anderen in den Schatten.

Als Napster abgeschaltet wurde, war WinMX plötzlich ein Client ohne Netzwerk. Wenn FrontCode Technologies überleben wollte, brauchte es eine schnelle Lösung. Am 18. Mai 2001 wurde WinMX 2.6 veröffentlicht und läutete damit eine neue Ära des Filesharings ein. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern war Version 2.6 nicht mehr nur ein einfacher OpenNap-Client, sondern baute sein eigenes dezentrales P2P-Netzwerk auf und nutzte durch seine Architektur die Vorteile der wachsenden dezentralen Bewegung. Die Netzwerkarchitektur war zwar wie "Gnutella" dezentralisiert, nutzte jedoch die Vorteile von Supernodes zur Steigerung der Netzwerkeffizienz. Darüber hinaus war ein Peer-Cache-Server erforderlich, damit der Client eine Verbindung zum Netzwerk herstellen konnte. Der WinMX-Client stellte eine Verbindung zum Peer-Cache-Server her und erhielt eine Liste von IP-Adressen von Supernodes, mit denen er kommunizieren konnte.

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Bild: WinMX v3.22 Suchergebnisse

In dieser Zeit ersetzten AudioGalaxy, Morpheus, eDonkey2000, Gnutella und WinMX die geweckten Bedürfnisse des inzwischen nicht mehr existierenden Napsters. Jedes Netzwerk hatte seine eigene Anhängerschaft und jedes Netzwerk war auf sein eigenes Musikgenre spezialisiert. AudioGalaxy war für die Entdeckung und den Austausch seltener und einzigartiger Werke bekannt, während WinMX für seinen vielseitigen Ansatz in Sachen Musik geschätzt wurde. Darüber hinaus wurde WinMX zum führenden Netzwerk für qualitativ hochwertige MP3 Dateien. Mitte 2002 hatte das Netzwerk mehr als 1,5 Millionen gleichzeitige Nutzer. Mit einer aktiven Gemeinschaft, vielen unabhängigen Benutzerforen und einer stetigen Entwicklung schien es, als könne dieses Netzwerk durch nichts aufgehalten werden.

Am 13. September 2005 erhielt WinMX Post von der RIAA. Darin wurden die Entwickler aufgefordert, die Rechtsverletzungen sofort einzustellen. Als direkte Folge dazu wurden die offizielle WinMX.com-Homepage, die FrontCode.com-Homepage, das WinMX PNP Netzwerk und alle seine Peer-Caches abgeschaltet. Obwohl die Abschaltung der Webseiten selbst kein Problem gewesen wäre, stellte die Domain "WinMX.com" die wichtigen Peer-Cache-Server und die IP-Adressauflösung für die WinMX-Supernodes bereit. Mit dem Wegfall der Domain brach das Netzwerk zusammen.

winmx-pnp
Bild: Funktionsweise des WinMX Netzwerks mit Primary- und Secondary Nodes

Allerdings wurde es bereits zwei Tage später wieder durch die WinMX Community wiedererweckt, die ihrerseits primitive Peer-Cache-Server einrichtete, die es dem Client ermöglichten, sich mit dem wiederhergestellten Netzwerk zu verbinden. Dazu wurde von der Community eine "Hosts-Datei" zur Verfügung gestellt, welche die DNS-Anfragen von WinMX, um Peer-Caches zu finden entsprechend umlenkte. Wenn der Client versuchte, die Peer-Caches zu finden, wurde er stattdessen auf eine IP-Adresse der neuen Peer-Caches verwiesen, die von der WinMX Community betrieben wurde. Mit dem 2008 veröffentlichten "WinMX Community Patch" waren Änderungen an der Hosts-Datei dann nicht mehr notwendig und das Netzwerk funktioniert sogar heute noch.

DangerFreak: 2001 betrat KaZaa die P2P-Bühne, das ebenfalls mit einem eigenen Protokoll namens "FastTrack" aufwartete. Abmahnungen gab es damals noch nicht. Der erste dokumentierte Fall einer tatsächlichen Verurteilung in Deutschland soll einen User von KaZaa im Jahr 2004 erwischt haben.

Fun Fact: Die Erfinder von Kazaa (und ihrer P2P-Architektur) haben später "Sky peer-to-peer" (auch bekannt als Skype) entwickelt.

Anonym: In der Zeit waren in Deutschland hauptsächlich noch Modem- oder ISDN-Verbindungen zum Internet die Regel, die üblicherweise minutengenau abgerechnet wurden (z.B. Hauptzeit 3,9 Pfennig / Minute und in der Nebenzeit 2,9 Pfennig / Minute.). Somit waren lange Onlinezeiten entsprechend kostenintensiv und so fokussierte man sich meist auf die Abendstunden, wenn sich mit anderen Tauchbörsennutzern treffen wollte.
Mit der weiteren Verbreitung von DSL-Flatrates in Deutschland wurden andere P2P Netzwerke/Clients wie eDonkey2000 oder eMule immer populärer. Die Downloads waren anfangs zwar langsamer (weshalb man den störrischen Clients auch diese "Eselbezeichnungen" gab), aber man konnte Dateien von vielen Quellen gleichzeitig herunterladen, was den Download unterm Strich beschleunigte. Außerdem stieg durch lange Onlinezeiten auch die Downloadgröße pro Datei, so dass es nun auch populär wurde, ganze Filme herunterzuladen, die z.B. auf einen 700 MB CD-Rohling passten.
Andere Filesharingsysteme und -Clients wie eDonkey, eMule, Gnutella, KaZaa, Limewire, Morpheus, Audiogalaxy schossen aus dem Boden, wovon heute eigentlich faktisch nur noch das Bittorrent Protokoll übrig ist.

Ein sehr schönes YouTube-Video zeigt das (heute vergleichsweise komplexe) Setup von Napster und SlavaNap:

Eingebettetes YouTube Video: Wenn Sie das Video anklicken, erklären Sie sich mit den Datenschutzbestimmungen von Youtube und den unseren einverstanden.
Link zum Video: https://youtu.be/UbybDxGFPs8

11. Warum verschwanden nach Napster später auch die OpenNap und SlavaNap Server?

Anonym: Wie alle guten Dinge, fand auch diese Party ein jähes Ende.
Als die amerikanische "Recording Industry Association of America" (RIAA) bekanntermaßen in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 begann, Napster in den USA erfolgreich zu demontieren, wuchs die Zahl der Nutzer von OpenNap. Während es schien, dass OpenNap das nächste Napster werden könnte, litt es an der gleichen Schwachstelle - den zentralisierten Servern. Als die "RIAA" 2001 mit Napster fertig war, richtete sie ihr Hauptaugenmerk Richtung OpenNap und SlavaNap.

"Mittlerweile ist auch OpenNap ins Bewusstsein und damit ins Visier der Musikindustrie gelangt. Aber da sich hinter dieser Börse verschiedene Betreiber verbergen, deren Server um den gesamten Globus verteilt sind, dürfte eine effektive Beschränkung diesmal noch wesentlich komplizierter sein." (aus macmagazin, Ausgabe 05 2001, Seite 54)

Während des Höhepunkts von OpenNap begann die "RIAA" auf Geheiß ihrer Mitgliedsunternehmen, den US-Internetserviceprovidern von identifizierten OpenNap Server IP-Adressen  "Unterlassungserklärungen" per E-Mail zu schicken:

"Es ist wahrscheinlich, dass weiterhin kleinere Versionen von Napster im Internet auftauchen werden, zumal der Betrieb eines Open-Napster [OpenNap] Rechners kaum mehr als einen PC und eine schnelle Internetverbindung erfordert. Obwohl diese Server nicht annähernd die globale Reichweite von Napster haben werden, werden sie wahrscheinlich ein kleines Ärgernis für die Plattenfirmen sein und die "Take down"-Briefe dieser Woche markieren den Beginn eines wahrscheinlich langwierigen Katz-und-Maus-Spiels."

Ein Server nach dem anderen gab auf und OpenNap wurde in weniger als fünf Monaten von über 250.000 auf etwas mehr als 50.000 Mitglieder reduziert. Auch vor Endanwendern wurde in den USA nicht halt gemacht. Mehr und mehr wurde auch der Dachverband, die "Internationale Vereinigung der Phonographischen Industrie" (IFPI) , dem auch die "RIAA" in den USA, "BRMA" in Belgien und "BVMI" in Deutschland angehörte tätig. Ende 2000 streckte man selbst in Belgien nicht vor Hausdurchsuchungen zurück:

"[...] Der belgische Zweig [=BRMA] der Internationalen Vereinigung der Phonographischen Industrie (IFPI) behauptete, der Polizei die Namen von Tausenden von mutmaßlichen Nutzern der Tauschbörse Napster zu geben. Berichten zufolge hat die belgische Polizei seit Ende Dezember 2000 die Wohnungen von Verdächtigen durchsucht."

Allerdings ist bei dieser Meldung nicht ganz klar, ob es sich hier tatsächlich um Napster-User handelte oder lediglich um Personen, die MP3 Dateien zum Download auf einer Webseite angeboten haben.

DangerFreak: Auch in Deutschland erwartete man, dass sich die privaten Nutzer von Tauschbörsen auf harte Zeiten einstellen müssen und ihnen zunehmend schärferer Wind ins Gesicht blasen würde. So geraten ab 2003 auch deutsche OpenNap Betreiber unter Druck:

"Die Polizei Fürth beschlagnahmte vor wenigen Tagen [im Mai 2003] sechs PCs eines Informatikstudenten, auf denen dieser einen Server des OpenNap-Netzwerkes betrieben haben soll. Weiterhin wurden rund 3.000 Musikdateien über die Tauschbörse zur Verfügung gestellt. Die Hausdurchsuchung erfolgte auf Grund einer Anzeige durch den Internationalen Verband der Musikindustrie IFPI, dessen deutsche Sektion [=BVMI] das Angebot ausfindig gemacht hatte. Gegen den Studenten wurde Strafanzeige erhoben, teilte die Organisation heute in Hamburg mit."

12. Welche P2P-Plattformen gibt es heute (2024) noch?

DangerFreak: Aufgrund von Abmahnungen ist es insbesondere in Deutschland nicht ratsam, sich mit P2P-Netzwerken zu verbinden. Hierzulande haben P2P-Plattformen nur eine Chance, wenn die Identität der P2P-Teilnehmer im Netzwerk verschleiert wird, sprich: die IP-Adresse kann nicht zweifelsfrei ermittelt werden.
Im Fall von RetroShare hat aber selbst das nicht geholfen, da einem Tauschbörsenteilnehmer vor Gericht der bloße Einsatz des Tools vorgeworfen wurde und er damit anderen Teilnehmern des RetroShare-Netzwerks ermöglicht hatte, über seine IP-Adresse (quasi als Proxy) urheberrechtlich geschützte Lieder herunterzuladen. Ihn hat es einfach als "letztes Glied in der Kette" erwischt. Getreu dem Motto: "Den letzten beißen die Hunde".

Anonym: Seit 2021 gibt es noch "DarkMX". Der Client sieht fast aus wie WinMX und lässt sich auch ähnlich bedienen. Das liegt daran, dass dieses Programm von Kevin Hearn, dem ursprünglichen Autor von WinMX veröffentlicht wurde. Im Gegensatz dazu setzt die Infrastruktur von DarkMX Netzwerks allerdings auf "TOR Hidden Services" und versteht sich damit als dezentrale Plattform, die eine "anonyme, zuverlässige und zensurresistente Kommunikation im Internet" ermöglichen will. Ob das auch für den Standort Deutschland gilt, werden Gerichte wohl erst noch entscheiden müssen.

Dieser kleine Rückblick wird vielleicht auch den jüngeren Lesern zeigen, welche "unbeschwerte Zeit" sie leider verpasst haben.

Vielen Dank an "DangerFreak", "CyberAlien" und alle nicht genannten für diesen umfassenden Einblick.

13. Linkliste und weiterer Lesestoff


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